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Resolution gegen die Einführung von Studiengebühren
 
Resolution des Verbandes feministischer Wissenschafterinnen.
Verein zur Förderung freier feministischer Wissenschafterinnen und feministischer Wissenschaften in Österreich,
und der Interessensgemeinschaft Externer LektorInnen und Freie WissenschafterInnen.
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Der Verband feministischer Wissenschafterinnen lehnt die Einführung von Studiengebühren grundsätzlich ab. Studiengebühren stehen jeglichem demokratischen Grundverständnis entgegen. 
 
Demokratie erfordert Mitbestimmung aller Bürgerinnen und Bürger und politische Mitbestimmung erfordert die bestmögliche Bildung möglichst vieler EinwohnerInnen. 
 
Die zentralen staatlichen Bildungsinstitutionen - die Universitäten - mit Studiengebühren zu belegen ist daher zutiefst undemokratisch
 
Statt Studiengebühren einzuführen, ist es im Gegenteil dringend notwendig, geeignete Stipendienprogramme und Förderungen für Studierende zu etablieren, um dem Anti-Bildungstrend politisch dezidiert entgegenzuwirken und die im europäischen Vergleich ohnehin deutlich unterdurchschnittliche österreichische AkademikerInnenquote nicht noch mehr zu senken.
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Volkswirtschaftlich fahrlässig
Die Einführung von Studiengebühren ist allerdings nicht nur aus demokratiepolitischen, sozial- und bildungspolitischen Gründen untragbar, sie ist außerdem aus volkswirtschaftlichen Gründen abzulehnen. In ihrer Studie zum gebührenfreien Hochschulzugang und dessen Alternativen, die im übrigen von der Homepage des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur (http://www.bmwf.gv.at/3uniwes/hsfin/index.htm) entnommen werden kann, kommen Univ.Prof. Dr. Richard Sturn und Dr. Gerhard Wohlfahrt zum Schluß, daß „die Einführung von Studiengebühren in Österreich zurückzuweisen ist“. Wird die gegenwärtige Förderung von Großkapital berücksichtigt, so ist der fahrlässige Umgang mit dem größten Kapital einer Gesellschaft, nämlich die bestmögliche Bildung und Qualifikation der Menschen, umso erschreckender. Studiengebühren senken empirisch nachweisbar die AkademierInnenquote (Österreich ist ohnehin bereits Schlußlicht im europäischen Vergleich) und schwächen somit in erheblichen Ausmaß die Nationalökonomie. Sturn und Wohlfahrt widerlegen zudem den Mythos, daß gebührenfreie Universitäten eine nicht begrüßenswerte Umverteilung von Arm auf Reich bzw. Nicht-AkademikerInnen auf AkademikerInnen mit sich bringt, weil durch unser progressives Einkommenssteuersystem bzw. durch den Entfall des steuerlichen "Glättungsvorteils" für AkademikerInnen vor allem die Besserverdienenden und AkademikerInnen die Universitäten finanzieren und die Schlechterverdienenden und Nicht-AkademikerInnen von der Gebührenfreiheit profitieren.
 
Demontage von Chancengleichheit
Trotz der marginalen Förderung von StudentInnen durch Stipendien (10 % StipendienempfängerInnen stehen 60 % sog. WerkstudentInnen gegenüber) ermöglichte ein gebührenfreier Universitätszugang seit den Siebzigerjahren die Partizipation von Kindern aus "bildungsfernen" Familien (z.B. ArbeiterInnenfamilien) an postsekundärer Bildung. Die Einführung von Studiengebühren bedeutet gerade für einkommens- und bildungsschwache Schichten eine massive Benachteiligung am immer bildungsorientierteren Arbeitsmarkt.
 
Falsche „Geschenke“
Abgesehen von der bislang unbeantworteten Frage, unter welchem Titel 1 Milliarde der geforderten Studiengebühren ins Finanzministerium zur kurzfristigen Sanierung des Budgets fließen wird, muß darüber hinaus darauf hingewiesen, daß die großzügig angekündigte Bildungsmilliarde nicht einmal reicht, um die massiven Budget-Kürzungen im universitären Bereich von 1,6 Mrd. abzudecken.
 
Weitere Benachteiligung von Frauen
Wie der ÖSTAT zu entnehmen ist, gibt es einen signifikanten Zusammenhang zwischen Erhöhung des Frauenanteils unter den Studierenden und der Abschaffung der damaligen "Studientaxen“ per Wintersemester 1972/73.[1] Während sich der Anteil der Frauen bei den Erstimmatrikulierenden nach Steigerungen zwischen 2% jährlich und einer einmaligen Steigerung um 4,5% (1968) sowie einer gleich darauf folgenden Absenkungen von 3% (1969) in den 60er Jahren relativ langsam erhöhte, stieg er im Jahr der Abschaffung der Studiengebühren um 5% und danach wieder kontinuierlicher um ca. 1 bis 2% bis er 1985 die 50% Marke erreichte, die nun sogar schon überschritten ist. Noch signifikanter ist der Zusammenhang in der Entwicklung des Frauenanteils bei den ordentlichen HörerInnen: Dieser stagnierte bei ca. 26% zwischen Ende der 50er Jahre und der Abschaffung der Studientaxen, während er im Zeitraum der Abschaffung um 2% jährlich anstieg, bis er 1977/78 37,7% erreichte und sich danach wieder langsamer erhöhte.
 
So wie gemäß diesen Daten bekannt war und ist, daß die Abschaffung der Studiengebühren maßgeblich zur Erhöhung des Frauenanteils bei den Studierenden beigetragen hat, so müßte der Regierung ebenfalls klar sein, daß die Wiedereinführung aller Wahrscheinlichkeit nach den gegenteiligen Effekt hat. Dies hängt mit bereits soziologisch analysierten strukturellen Bedingungen für den Aus- oder Einschluß von Frauen in die universitäre Bildung zusammen. Eltern, insbesondere aus einkommensschwächeren und einem universitären Bildungsanspruch nicht so nahe stehenden Schichten mit geringerem Ausbildungsniveau, lassen – wenn überhaupt – eher die Söhne studieren, umso mehr, wenn dafür Gebühren bezahlt werden müssen und auch gleichzeitig andere finanzielle Belastungen hinzukommen wie sie nun angekündigt wurden. Junge Frauen, die studieren und keine Kinder haben, werden zudem nicht selten durch die Abschaffung der Mitversicherung beim Partner doppelt belastet sein und damit wahrscheinlich oft direkt an ihrem Studium gehindert.
 
Aufgrund der Bekanntheit dieser Zusammenhänge kann es sich nur um eine gezielte politische Maßnahme zur neuerlichen Verdrängung der Frauen aus den gesellschaftlich relevanten Sphären handeln, insbesondere der Frauen aus einkommensschwächeren Schichten, die gerade kein Stipendium mehr erhalten.
 
Ministerin Gehrer ist dabei besonders zynisch verfahren, indem sie anläßlich der Vergabe von 13 Firnbergstellen an postgraduale Wissenschafterinnen einen Tag vor Bekanntgabe der bevorstehenden Gebühren die Errungenschaften Herta Firnbergs würdigte, zu denen bekanntlich auch die 1972 erreichte Abschaffung der Studientaxen gehörte.
(5.10.2000)
[1]  Siehe Hochschulbericht 1972, Bd.1, S. 9237ff. Diese Taxen waren den nun angekündigten Studiengebühren in der Höhe vergleichbar und wurden für ausländische Studierende, unter zahlreichen Ausnahmen, beibehalten.    zurück in den Text
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