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"speed kills"... feministische Wissenschafterinnen?
Links aktualisiert am 1.6.2002
Nach einem Jahr schwarz-blauer Koalitionsregierung sieht sich die österreichische Wissenschaftslandschaft mit gravierenden Änderungen konfrontiert. Der folgende Text greift einzelne Aspekte der gegenwärtigen komplexen Umstrukturierungen vor allem in Hinblick auf die schwierige Situation der feministischen Wissenschafterinnen heraus.
Neben aktuellen Gesetzesentwürfen auch einige der von Universitäten und Interessenvertretungen verfassten Resolutionen  gegen die hochschulpolitischen Entwicklungen herangezogen. In diesem Sinne sollen unsere Überlegungen vor allem zur Vorbreitung einer weiteren Diskussion dieser und auch anderer brisanter wissenschaftspolitischer Problemstellungen dienen, zu welcher der Verband feministischer Wissenschafterinnen  alle Interessierten einlädt.

Das neue Dienstrecht 

Besonders hohe Wellen der Empörung im universitären Feld schlägt der aktuelle Entwurf zum neuen Dienstrecht. Er schlägt ein Gesetz vor, ”das von seinen Grundelementen her wegweisend für Kollektivverträge” wirken soll. Diese Verträge würden mit der Ausgliederung der Universitäten im Rahmen der Vollrechtsfähigkeit im Jahre 2002, auf die weiter unten näher eingegangen wird, auszuhandeln sein.

Einen wesentlichen Aspekt darin bildet der Anspruch, die ”Mobilität zwischen In- und Ausland, Wirtschaft und Wissenschaft” zu fördern und ”die Einstiegschancen für junge Wissenschaftler” zu verbessern. Inwieweit dabei die Mobilität zwischen Wirtschaft und Wissenschaft in Bereichen der Human-, Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften sowie der Kunstwissenschaften und darüber hinaus auch für eine größere Anzahl von qualifizierten WissenschafterInnen aus diesen Bereichen möglich ist, sei hier von uns grundsätzlich kritisch in Frage gestellt.

Durch die Befristung fast aller zukünftigen Dienstverhältnisse im universitären Bereich auf vier Jahre ohne Verlängerungsmöglichkeit wird es inneruniversitäre wissenschaftliche Karrieren und Engagement im Aufbau spezifischer Forschungsschwerpunkte nur mehr in reduziertem Ausmaß geben können. Die anscheinend parallel zur laufenden Reduzierung der Planstellen beabsichtigte Erhöhung der Anzahl der ProfessorInnen (ebenfalls auf Zeit?) ändert an dieser strukturellen Demotivation nichts.

”Mobilität” 

Feministische Wissenschafterinnen, die bis dato nur marginal in den universitären Wissenschaftsbetrieb integriert sind, werden durch die Entwicklungen des Dienstrechts noch stärker in die ”Mobilität” gedrängt. Diese ”durchaus bedeutsamen Vorteile einer Situierung am Rand können feministisch Lehrende und Forschende jedoch nur nutzen bzw. für alle nutzbar machen, wenn eine wechselseitige Permeabilität des universitären Feldes erreicht werden kann”  – wie die Interessensgemeinschaft Externe LektorInnen und Freie WissenschafterInnen in ihrer Studie  ”Zwischen Autonomie und Ausgrenzung? Zur Bedeutung Externer Lehre und Freier Wissenschaft an österreichischen Universitäten und Hochschulen” deutlich feststellt. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die Durchlässigkeit der Institution Universität infolge des neuen Dienstrechts vorerst dahingehend entwickeln wird, bedeutend mehr WissenschafterInnen aller Sparten aus der Universität hinaus auf den sogenannten freien Markt zu drängen, als für freie – oder gar feministische – WissenschafterInnen die institutionellen Türen zu öffnen.

Marktfähigkeit? 

Die außeruniversitäre Forschungslandschaft war bereits bisher von finanziell knappen Ressourcen und den daraus resultierenden Problemen geprägt. Bei der absehbaren negativen Entwicklung der Budgetmittel für nicht-wirtschafts- oder technologieorientierte Bereiche werden sich die Probleme für diese außeruniversitäre Forschung aller Voraussicht nach prekär zuspitzen.

Zur Unterstützung der Wissenschafts- und InfrastrukturministerInnen wurde bei der Vergabe von Forschungsgeldern der ”Rat für Forschung und Technologieentwicklung” eingerichtet. Dieser arbeitet derzeit an einem Strategiekonzept, von dem auch Beamtinnen des Ministeriums nicht erwarten, dass es die Anliegen feministischer Wissenschaften berücksichtigen wird. In der Tagespresse werden ”Prioritätensetzung bei marktnahen Projekten” und die Freigabe von vorerst 1,2 Mrd. Schilling für ”unumstrittene Projekte” kolportiert (Der Standard 20./21.Jänner 2001: 26) . Das Regierungsziel des Anstiegs der Forschungsquote von derzeit 1,8 auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2005 müsse dabei freilich zum größten Anteil von der Wirtschaft getragen werden, wobei man darauf hoffe, dass die “Wirtschaft erkenne, dass sie den größten Beitrag aufzubringen habe” .

Dass eine Regierung, die Bildung zum inflationären Gut stempelt, und Bildung und Wissenschaft mit der “ökonomischen Vorstellung einer störungsfreien Sieger-Rentabilität” (Frank-Rieser 1999) verknüpft, die Wirtschaft nicht als Kooperationspartner oder Förderer von vielen Wissenschaften motiviert, sondern sie im Gegenteil animiert sie zu vereinnahmen und zu dominieren, liegt auf der Hand. Die Relevanz und Notwendigkeit der Drittmittelfinanzierung wird mit Einführung der Vollrechtsfähigkeit, die die schwarz-blaue Koalitionsregierung bereits Ende 2001 als Gesetz beschließen will, für alle Universitäten erheblich steigen. Doch sind einer Drittmittelfinanzierung von Forschung  in Österreich – anders als in Ländern mit einer ausgeprägten Industriestruktur und einer historisch gewachsenen Mäzenatenkultur – deutliche Grenzen gesetzt” (Resolution der Universität für Angewandte Kunst in Wien vom 17.11.2000). Insbesondere wird in Österreich eine ohnehin marginalisierte feministische Forschung und Lehre keinen ”marktfähigen” Status erlangen können.

”Konzentration der Mitbestimmung” 

Grenzte die derzeitige Regierungskoalition bereits die wissenschaftlichen Interessensvertretungen in ihren kurzfristigen Entscheidungsprozessen hinsichtlich universitärer Reformen aus, setzt sie analog dazu auch die Grundlagen der neuen Mitbestimmungsrechte in der künftigen universitären Organisationsstruktur fest. Der neue Slogan der “Konzentration der Mitbestimmung” stammt aus der mit dem Untertitel “Politische Determinanten für die erweiterte Autonomie” veröffentlichten Universitätsreform, der sogenannten Vollrechtsfähigkeit. Dieser bedeutet realiter den Abbau demokratischer Strukturen zugunsten autoritärer Entscheidungskompetenzen von einigen wenigen. Mit ihm wird das Mitbestimmungsrecht für die Mehrheit der an den Universitäten Arbeitenden und Studierenden abgeschafft.

Die Stärkung des staatlichen Einflusses manifestiert sich beispielweise auch bei der Wahl des Rektors. Diese soll nicht mehr durch den Senat, sondern neuerdings gleichfalls durch den Universitätsbeirat in sogenannter ”doppelter Legitimation”  erfolgen, was einer Halbierung der Befugnisse des Senats als demokratischem Gremium zugunsten des Universitätsbeirates gleichkommt. Der Universitätsbeirat jedoch soll teils von politischen Gremien und teils von wirtschaftlichen Interessensvertretungen besetzt werden. Somit stärkt der Staat seinen wirtschaftlich motivierten Einfluss, während er sich gleichzeitig seiner bildungspolitischen Verantwortung entzieht. In der Folge wird der Universitätsrat auch als ständiges Entscheidungsgremium dem Rektor und dem Senat beigestellt werden (wobei es den Senat ohnedies nur im Falle einer Fakultätsgliederung geben wird, die jedoch im Rahmen der Vollrechtsfähigkeit der österreichischen Universitäten nicht mehr ”vorgesehen oder gar verordnet”  wird).

Desgleichen plant die neue Universität in anti-demokratischer Weise keine Kommissionen mehr ein, sondern lokalisiert die “Mitbestimmung auf einer Ebene der obersten Leitung” , also dem Rektor und dem Universitätsrat. Angesichts der bisherigen wenig erfreulichen Erfahrungen mit der Verankerung von Frauenförderung sowie Frauenforschung und feministischer Forschung sind die Folgen für feministische Forscherinnen und Lehrende absehbar. Frauenförderung wird zwar als eine der ”übergeordneten Interessenslagen” im Entwurf zur Vollrechtsfähigkeit festgelegt, klingt aber angesichts des politischen Grundtenors der derzeitigen Regierungskoalition ebenso alibihaft wie die vage Formulierung, ”die Mitwirkung der Studierenden in Studienfragen ist sicher zu stellen”.

Frauenförderung 

Ob die unter den neuen Bedingungen vakant werdenden universitären Planstellen vermehrt mit Frauen und feministischen Wissenschafterinnen besetzt werden, ist stark zu bezweifeln. Zeigte ein nur zögerlich umgesetzter Frauenförderungsplan schon bisher nur geringe Verbesserungen für Frauen im universitären Feld, so wird dieses nur für den Bereich des Bundes geltende Gesetz im Zuge der Vollrechtsfähigkeit in den Universitäten nicht mehr angewandt werden müssen.

Die forcierte Geschwindigkeit der Reformen lässt den Universitäten, die erst kürzlich oder bisher noch nicht ‚gekippt’ sind, kaum Zeit, trag- und ausbaufähige interne Managementinstrumente oder -strukturen demokratisch zu entwickeln. Damit steigt die Gefahr, die derzeit noch vorhandene Chance, Frauen und insbesondere feministische Inhalte zumindest marginal zu integrieren, zu zerstören. Es steht zu befürchten, dass es ohne explizite und in den Satzungen aller österreichischen Universitäten festgeschriebenen Frauenförderung (die sich derzeit ohnedies mit einem Verständnis von Unterrepräsentation begnügt, das mit 40% Frauenanteil begrenzt ist, und keinerlei konkrete Sanktionen bei Außerachtlassung der Gebote vorsieht,) sowie mit der Abschaffung der Gremien zu ähnlich frauenfeindlichen Verhältnissen kommen kann, wie sie bereits weitgehend im Fachhochschulbereich zu beobachten sind.

Universitäre WissenschafterInnen-Laufbahn? 

Als ”klassischer Einstieg in eine universitäre WissenschaftlerInnen-Laufbahn” (IG-Externe LektorInnen und Freie WissenschafterInnen) galt bisher die Abhaltung von Lehrveranstaltungen. In Anbetracht der beschlossenen Budgetkürzungen für die externe Lehre und der neuen Tendenzen hinsichtlich der universitären Lehre durch das Studienrecht und die neue Organisation der Universitäten zeichnen sich jedoch zunehmend deutlicher die Grenzen ab, die hier gerade feministischen Lehrenden gesetzt werden. Zum einen sind Forschung und Lehreeng aneinander gekoppelt. Kürzungen von Forschungsgeldern und Reduzierungen gerade auch von feministischen Forschungsprojekten gefährden unmittelbar auch die feministische Lehre.

Zum anderen wird in einer Zukunft, in der für die Erreichung der Marktfähigkeit der Universitäten ein “Leistungsvertrag” in “einer ergebnisorientierten Form”  das Verhältnis zwischen Staat und jeweiliger Universität regeln soll, feministische Lehre einen noch schwierigeren Status einzunehmen haben als bisher. Die im Entwurf zur Vollrechtsfähigkeit explizit betonte Ergebnisorientiertheit wird unter anderem eine entsprechende Evaluierung bedingen, die vermutlich selten ihren Fokus auf Prozessorientiertheit legen wird (können). Es steht zu befürchten, dass die – grundsätzlich zu befürwortende – Evaluierung verstärkt negative Auswirkung  auf die Lehrauftragsvergabe an freie feministische Wissenschafterinnen zur Folge haben wird.

Denn bereits jetzt sind die Auswirkungen der noch keineswegs flächendeckend durchgeführten Evaluation auf externe Lehrauftragsvergabe und interne Lehrbeauftragung unterschiedlich bewertet. Im Falle dass Lehrveranstaltungen der bediensteten UniversitätslehrerInnen “wiederholt von Studierenden negativ beurteilt werden”, sieht die Evaluierungsverordnung lediglich vor, dass “der Studiendekan verpflichtet [ist], in einem Gespräch mit dem betreffenden Universitätslehrer nach Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen”. Im Vergleich zu den relativ harmlosen Auswirkungen für internes Lehrpersonal sind negative Evaluierungsergebnisse für externe Lehrende ungleich schärfer und ausgrenzender.
 
Doch dieses ist nur einer von vielen Aspekten der unterschiedlichen Politiken hinsichtlich universitärer Lehre in Zeiten der schwarz-blauen Wissenschaftspolitik. Der Verband feministischer Wissenschafterinnen hat  sich zur Aufgabe gesetzt, die Diskussion der angeführten und vieler anderer Aspekte umfassend und fundiert zu führen und lädt alle Interessierten ein, im Rahmen des jour fixe am ersten Dienstag des Monats daran teilzunehmen.

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Herta Nöbauer, Sabine Prokop
 

Herta Nöbauer ist freie Sozial- und Kulturanthropologin, externe Lektorin und
Mitarbeiterin im Mentoring-Projekt des PZ Frauenförderung der Uni Wien

Sabine Prokop ist freie Kommunikations- und Medienwissenschafterin, Künstlerin und
externe Lektorin an verschiedenen österreichischen Universitäten

(Der Artikel erschien am 6.3.2001 im  STICHWORT-Newsletter Nr. 11/2001, 4-6
und wurde auf http://www.dieuniversitaet.at veröffentlicht)
 
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